Sonntag, 3. September 2017

LeseBlog

Als es begann, dieses Bücherfieber


Ich hatte das Glück in einem Elternhaus groß zu werden, in dem das geschriebene Wort kein Buch mit sieben Siegeln war, im Gegenteil, Bücher gehörten dazu, wie die Luft zum Atmen. Noch mit frischer Druckerschwärze versehen, war Jim Knopf von Michael Ende das erste Buch, welches mir persönlich gehörte. Es folgten viele und in der kleinen Jugendbücherei am Woog wusste ich ganz genau in welchem Regal welche Autoren zu finden waren. Ich gebe zu, den Überblick zu wahren, war nicht schwierig, schwieriger war es da schon, sich zum festgesetzten Datum wieder vom Buch zu trennen. Positiv war, es konnte dann ein neues Abenteuerbuch von den 5 Freunden, Fury oder Karl May und ähnlichem den Weg zum Kopfkissen finden. Apropos Karl May, Winnetou Teil III habe ich nie gelesen :-).
Schwieriger wurde es, als sich die Jugendbücherei mauserte und in das neue Gebäude umzog - damit befand sie sich außerhalb des Radiuses, in dem ich mich mit meinem Fahrrad bewegen durfte, was Kinder aber im allgemeinen und speziellen nicht interessiert.
Doch mit zunehmendem Alter verlor ich die Interesse an Büchereien, aber nicht an Büchern. Ich wollte lieber Bücher, die noch nicht durch ewig viele Hände gegangen waren, Bücher ohne
Eselsohren und gebrochene Buchrücken, Bücher ohne frei gestaltete künstlerische Ausschmückungen. Dennoch, als ich endlich aus dem Alter der Jugendbücherei war und in die Bücherei für Erwachsene wechseln durfte, füllte ich noch so manche Ausleihkarte. Mein durch Hilfsarbeiten im Büro und Fotolabor erworbenes Geld steckte ich in die Romane von Georgette Heyer. Über einen Roman von Georgette Heyer konnte schon einmal eine Nacht vergehen, wofür hat man sonst langweiligen Unterricht, zum schlafen.
Mein Unwille gegenüber Büchereien ist jedoch rein subjektiv. Objektiv betrachtet, finde ich es sehr gut, dass es Büchereien gibt, nirgends kann man ungestörter der Leselust frönen, ein Gefühl für Bücher entwickeln, ein Buch zur Hand nehmen, darin schmökern und es wieder, bei Nichtgefallen, ungestraft ins Regal zurück verbannen. Denn seien wir uns darüber im klaren, es kann nicht jedes Buch jedem gefallen. Bestseller-Autoren werden von den Medien kreiert, ob sie auf's Podest unseres persönlichen Bestseller-Autoren schaffen, bleibt jedem unbenommen.
Später wurden zur wahren Fundgrube die Bücher vom Bücherbund. Der Vorteil lag auch hier für mich auf der Hand: der feste Bucheinband war viel haltbarer als die Paperback-Ausgaben und dank der Buchclub-Mitgliedschaft dennoch nicht teurer. Den "Hauptvorschlagsband" des Quartals bekam ich nie aufs Auge gedrückt - es sei denn ich holte ihn mir freiwillig - denn mein Einkaufs-Soll erfüllte ich mühelos. Eindeutiger Nachteil des Hardcovers: das Bücherregal wird schneller voll.
Der Buchclub diente dazu meinen Bedarf an "Schmuse-Literatur" zu decken, für Krimis ging ich an den unendlichen Vorrat von meinem Vater und wenn es was nachzuschlagen galt - ach diese Internet freie Zeit damals - waren die Lexika meines Vaters stets auf dem neuesten Stand.


Bücher, der Stoff zum Träumen

Einige Autoreninnen

Von Anfang an hatten Bücher für mich den eindeutigen Zweck, mich in das Reich der Träume zu entführen. Das ist bis heute so geblieben, denn mit nichts, als dem geschriebenen Wort, kann ich so gut noch meine Fantasie beflügeln. Ich bekomme im Buch eine Landschaft, einen Gegenstand, einen Menschen beschrieben, kann die Augen schließen und sehe vor dem inneren Auge das Beschriebene. Sehe ich hingegen einen Film, so wird mir ein fertiges Bild vorgesetzt, nichts bleibt meiner Fantasie zum Ausschmücken. 
Nicht wundern, ist eine Weile her,
August 1977
Ein Buch zieht mich aus dem Alltag, bringt Saiten in mir zum Klingen, ich bin der Resonanzboden für die Schwingungen. Oh der Fernsehapparat hat auch so sein gutes, man kann prima im Fernsehsessel davor einschlafen.
Georgette Heyer ( 1902-1974) schrieb Bücher, deren Handlung in einem Jahrhundert bevor sie die Romane schrieb spielten. Nichts schöneres gibt es für ein junges Mädchen, als in der romantisch-verklärten Zeit des Biedermeiers einzutauchen. Man kann in dem alten London wandeln, oder in fernen Parks verweilen, Gewänder rascheln hören, oder dem Geklapper der Pferdehufe und dem Rattern der Kutschen auf den Straßen lauschen. Sicher, die eine oder andere Romanfigur hat es gegeben, aber niemand verlangt, daß der Wahrheitsgehalt des Romanes irgendwelchen Tatsachen entspricht. Als ich jedoch 1977 mein Tagebuch zur dreiwöchigen England-Rundreise schrieb, begann ich alles mit dem folgenden Zitat: "The English are different. The English are even more different than they think they are." von J.B. Prestley. Ich fand die Landschaft, wie G. Heyer sie beschrieben hatte, ich wäre am liebsten nie mehr aus  England zurück gekehrt. Das Wetter war ohne jeglichen Einfluß auf mein Befinden. Aber hier geht es um Bücher. Die von G, Heyer beschriebene Landschaft findet sich ebenfalls in Romanen, die mehr als 150 Jahre eher geschrieben wurden, die eine ganz andere Aussagekraft haben.
Jane Austen (1775-1817), die anonym unter "by a lady" veröffentlichte, schrieb einerseits in einer fantastischen Sprache - was leider nicht durch jeden Übersetzender getroffen wird - andererseits waren ihre Romane aber auch sehr zeitkritisch. Wenn man genau in den Text hineinlauscht merkt man, unter welchem Zwang das weibliche Geschlecht damals stand.  - Entweder du fügst dich dem Ehemann, oder du verkommst als gerade so geduldete, unentgeltliche, Hilfe im Haushalt, bis das nächste Abstellgleis auf dich wartet.
Natürlich bezaubern die Figuren aus <Pride and Prejudice> mit Elisabeth und Darcy seit Generationen das Publikum, finden ein Plätzchen in Filmen und Telenovelas, Männer müssen sich an Mr. Darcy messen lassen, etwas, was Jane Austen sicher so nicht im Sinn hatte. Dafür vermag die Arroganz von Emma zuweilen zu einem Stirnrunzeln verhelfen. Aber über allem schwebt eine untadlige Sprache, die den Leser nie erröten läßt. Damit zählen die Romane "Stolz und Vorurteil" und "Emma" zur klassischen englischen Literatur.
Charlotte Brontë (1816-1855) ist hingegen in meinen Augen schwerer zu lesen, da will man nicht neugierig den nächsten Absatz erreichen, gleich wie bei einem Spaziergang, bei dem man gespannt ist, welcher Anblick sich nach der nächsten Kurve oder dem nächsten Hügel auftut. "Jane Eyre" kann man lesen, wenn man durchhält.
Katie Fford (Jahrgang 1952) ist ebenfalls eine Schriftstellerin aus England. Auch Katie Fford - leider werden ihre Romane in Amerika verfilmt und damit auch in den amerikanischen Rhythmus und die amerikanische Landschaft transportiert - schreibt ihre Romane unter dem "Wohlfühl-Aspekt". Romane zum Träumen, es darf auch mal eine Träne vergossen werden, aber immer mit Happy-End. Man merkt den Texten an, daß sorgfältig recherchiert wird, da sie im Jetzt spielen, wird unwillkürlich geprüft, ob sich Handlungen nachvollziehen lassen. Es sind, wie auch bei den vorher genannten Schriftstellerinnen Liebesromane, aber man muß beim Lesen nicht rot werden.
Verlassen wir die Insel, doch bleiben wir dem englischsprachigem Raum.
Cecelia Ahern (Jahrgang 1981) hat ihre Wurzeln in Irland, dem Land der Kobolde. Ihre Bücher sind zum Träumen, mit viel Phantasie und einem Hang zum - nah halt typisch für Kobolde. Aber jeder Buchstabe lesenswert, gibt man sich der Phantasie hin.
Kathleen E. Woodiwiss (1939-2007) gilt als die erste Schriftstellerin des Genre "Bodice Ripper", dies ahnte ich jedoch nicht, als mir 1975 mein erster Roman von ihr unter die Augen kam. Grob erklärt bezeichnet "Bodice Ripper"  einen nicht jugendfreien Abenteuer- und Liebesroman, der in historischer Vergangenheit spielt. Als Amerikanerin kann sich Frau Woodiwiss nicht ganz der "alten Welt" verschließen, doch die überwiegende Handlung spielt im Amerika, als man sich noch mit Kutschen vorwärts bewegte. Den "braven" Romanen von Georgette Heyer (fast) entwachsen, regten die Romane von Kathleen Woodiwiss die Fantasie so an, daß man beim Lesen nicht nur in der Story eintauchte, sondern auch die Gefühle mitschwangen. - Der Playboy für die Herren der Schöpfung ist nichts dagegen. -                
Anne Golon (1921-2017) ist, gemeinsam mit ihrem Ehemann, die schöpferische Mutter von Angélique. Die Romane über Angélique füllen seit 1971 ein Bücherregal bei mir, doch sind sie bei weitem nicht so freizügig wie die Romane des Genre "Bodice Ripper".
Theresa Ragan  tummelt sich wie Kathleen Woodiwiss mit manchen ihrer Romane gerne in der Vergangenheit herum, doch im Gegensatz dazu sind die Romane gleichzeitig Zeitreisen. Wie treffend ist ihr Zitat zu Beginn des 1. Kapitel im Roman "ein Ritter im Central Park" <Mit genügend Fantasie kann man die Wirklichkeit überwinden>. Wie
Alexandra Graham (Jahrgang 1983) schreibt historische Liebesromane, die kaum etwas der Fantasie überlassen. Wobei das Pseudonym Alexandra Graham ausschließlich diesem Genre vorbehalten bleibt. Mit A. Graham als Bindeglied kommen wir nach Deutschland, auch
Emily Bold (Jahrgang 1980) hat unter anderem auch historische Liebesromane veröffentlicht.
Sophia Farago  veröffentlicht unter dem Pseudonym ihrer ungarischen Urgroßmutter, ihre große Leidenschaft gilt der englische Geschichte. Mit ihren Regency-Romanen knüpft sie an die Romane von Georgette Heyer an, wen wundert es, daß einem einige der handelnden Personen bekannt vorkommen?
Egal ob nun Woodiwiss, Ragan, Graham, Farago oder Bold, die Wortwahl und Wortgewandtheit der Schriftstellerinnen empfängt mich als Leser bereits auf der ersten Seite mitten in der Story. Ich lege zwar meine Lektüre zur Seite, weil wichtige Erledigungen auf mich warten, doch bei nächstbester Gelegenheit tauche ich wieder in den Roman ein, fühle mit den handelnden Personen mit, doch nie habe ich das Bedürfnis zu schimpfen, ein anderer Autor hätte diese Szene aber besser geschrieben, das steht mir nicht zu.

Damit verlasse ich wieder die Schriftstellerinnen, deren Roman in einem anderen Jahrhundert spielen und mehr oder weniger unter "Bodice Ripper" einzuordnen sind, auch wenn bei weitem nicht alle aufgezählt sind, die sich mit dieser Thematik befassen, noch nicht einmal alle, die bei mir im Bücherregal Unterschlupf gefunden haben.
Im Oktober 2011 erwarb ich meinen ersten eReader den ich zunächst mit "Nachschlagewerken" zu Themen fütterte, die mich interessierten, für die ich jedoch keinen Platz in meinen Bücherregalen frei räumen wollte. Tatsächlich habe ich die Bücher überwiegend nur angelesen und dann beschlossen, daß die Themen von mir nicht weiter vertieft werden, so z.B. zum Buddhismus. Meinen ersten Roman für den eReader erwarb ich von Ali McNamara, ihren Roman "Tatsächlich Liebe in Notting Hill" wollte ich gerne auf Reisen mitnehmen, die Taschenbuchausgabe, natürlich nicht ungelesen, im Regal stehen lassen.

Also komme ich zu den Schriftstellerinnen, deren Romane in der nahen Vergangenheit, zuweilen jedoch auch in der Zukunft - zumindest im Zeitpunkt, als sie geschrieben wurden, angesiedelt sind. Und natürlich beginne ich wieder mit Romanen die zum Träumen einladen. Da greife ich mir meinen eReader und beginne alphabetisch.

Poppy J. Anderson
Jahrgang 1983, veröffentlicht mehrere Buchreihen.
In der Ashcroft-Saga wird zunächst die Irrungen und Wirrungen des ältesten Ashcroft-Sprosses Patrick erzählt, bis er endlich am Ziel seiner Wünsche angelangen kann. Band zwei handelt von seiner Schwester Barbara, deren Ehe nach einem harten Schicksalsschlag ins straucheln gerät und Band drei handelt von dem jüngsten der Geschwister, Stuart. Natürlich findet auch dieser Sunnyboy seinen Meister. Alle drei Ashcroft Geschwister stehen mitten im Leben, würde da nicht plötzlich etwas unvorhersehbares geschehen und alle Planungen über den Haufen werfen und so muß jeder der Geschwister auf seine Art mit dem Schicksal kämpfen um dann doch seinem Herzen zu folgen. Was wäre ohne den Zusammenhalt der Geschwister. Jeder Band für sich ist lesenswert und da die Schicksalsschläge nur zu bewältigen sind, wenn man zusammenhält ist es schön, kann man Romane als Fortsetzung lesen.
Die nächste Buchreihe von Poppy J. Anderson handelt von der Familie Fitzpatrick. Die Familie Fitzpatrick lebt in Bosten und besteht aus der frisch verwitweten Mutter und deren 5 Kinder, die sich liebend gerne wie die Axt im Walde verhalten. Da geht manches zu Bruch unabhängig davon, daß die fünf Geschwister eigentlich alle verantwortungsvoll für die Öffentlichkeit tätig sind, sei es als Feuerwehrmann, Polizist oder Mediziner. Und auf den Mund gefallen sind weder die 4 Buben, noch das einzige Mädchen in der rauen Band. Auch bei der Fitzpatrick-Reihe wird der Familienzusammenhalt groß geschrieben, man lernt bei der Feuerwehr, auf dem Polizeirevier und im Krankenhaus ein und aus zu gehen und freut sich mit jeder weiteren Story, die bereits kennengelernten nicht aus den Augen zu verlieren.
In der Hailsboro-Reihe geht es um die ledigen weiblichen Bewohner und Besucher der osttexanischen Kleinstadt Hailsboro. Ich bin sicher, Poppy J. Anderson hat einen genauern Überblick über das Städtchen und seine schrulligen Bewohner. Wie ist doch das Sprichwort "je oller, desto doller". Da gibt es weibliche Bewohner im Rentenalter mit Haaren auf den Zähnen, vor denen man sich nur fürchten kann - oder über die man schallend lachen muß. Hier kennt jeder jeden und für den ständigen Klatsch gibt es einen trefflichen Ort: Die Bäckerei von Kate's Großmutter. Die kommt damit auch in jedem Band vor, oder anders beschrieben, keiner entgeht dem gnadenlosen Klatsch. Überwiegend sind die Bücher der Hailsboro-Reihe Kurzromane, bevor Langweile aufkommt ist die Story auch schon vorbei. Dafür greifen viele in einander über, zumal wenn man das Schandmaul von der Seniorin Alma nicht aus den Ohren bekommt. In späteren Folgen übernimmt Kate die Bäckerei von ihrer Großmutter und Poppy J. Andersen kann sich ab dem ersten Band der Reihe ihrer heimlichen Leidenschaft, dem Backen, widmen da nun gleich:
Die Köche von Bosten "Taste of Love" ist die neueste Reihe von Poppy J. Anderson hier geht die Autorin ihrer Kochleidenschaft nach und natürlich geht neben dem Wettstreit ums kochen auch der Wettstreit, wer wen überlistet und (bislang sind 3 der 4 Bände erschienen) wer zuerst kapituliert ohne zu verlieren.