Prolog
Als ich auf
die Welt kam, gaben sich meine Mutter und mein Erzeuger, merkwürdigerweise als mein Vater bezeichnet, alle erdenkliche Mühe mir mein
zukünftiges Leben schwer zu machen. Sie ließen auf dem Standesamt den Namen
Friedricke-Adele Adelsfried für mich eintragen. Das muß man sich auf der Zunge
zergehen lassen: Friedericke-Adele Adelsfried. Erschwerend kommt dazu, daß ich
am 29. Februar 92 unsanft aus meiner Mutter Schoß entfernt wurde – ich hätte
gerne noch länger im Verborgenen vor mich hin geträumt. Jetzt kennt jeder
meinen Steckbrief: Friedericke-Adele Adelsfried, geboren am 29.02.92 in einer
unbedeutenden Kleinstadt in Deutschland.
Da, wie
leicht erkennbar, der Tag meiner Geburt auf einen Schalttag fiel, fand es mein
Vater angemessen, wenn er in den vorgegebenen Abständen von vier Jahren gleich
einem Komet erschien, um mir zum Geburtstag zu gratulieren. Zuweilen, wenn es
seine finanzielle Situation gerade gestattete, bekam ich sogar ein Geburtstagsgeschenk,
üblicherweise eine Tafel Vollmilchschokolade vom Discounter. Ich mag
Vollmilchschokolade nicht. Ich kann mich jedoch nicht entsinnen, ob ich zuerst
die Vollmilchschokolade nicht mochte, oder meinen Vater. Als wir auf diese Art
und Weise viermal meinen Geburtstag gefeiert hatten, war mein Vater der Ansicht,
daß ich nun nicht mehr seiner Fürsorge bedürfe. Er verabschiedete sich artig
und wurde nicht mehr gesehen.
Ich fand,
ich war ein pflegeleichtes Kind. Die braunen Haare zu einer knabenhaften
Kurzhaarfrisur gestutzt, das überwachte meine Mutter stets kritisch, mit Jeans
und T-Shirt bekleidet wurde ich von ihr gemeinsam mit meiner Großmutter zu meinem
ersten Kindergarten-Tag gebracht. Das Schild meiner Schildmütze im Nacken, sah
ich mir mißtrauisch die Fremde an, die mich zu sich ziehen wollte. „Das ist
also der kleine Fritz!“ „Fitz“ murmelte ich schüchtern. Bevor meine Mutter
oder Großmutter etwas sagen konnten, wiederholte ich nochmals „Fitz“ und
strahlte dabei die Fremde mit allen Mitteln, die mir mit meinen zwei Jahren zur Verfügung standen, an. Seit diesem Tag höre ich nur noch auf den Namen
Fritz, auch wenn meine Großmutter zuweilen mahnend den Finger hob und tadelnd mit
„Friedericke-Adele“ ihre Strafpredigt begann.
Meine
Großeltern mütterlicherseits, denen ich den Nachnamen Adelsfried verdanke,
boten meiner Mutter und mir bis ich in die Schule kam Asyl. Am Tag meiner
Einschulung heirateten meine Mutter und Klaus und brachen sofort in ihre
Flitterwochen auf. Ein halbes Jahr später sah ich meine Mutter wieder, mein winzig
kleiner Bruder Tobias lag in ihren Armen, sie hatte Klaus nach nur sechs
Monaten Ehe den ersehnten Stammhalter geschenkt. Davon, daß ich ein kleines
Brüderchen bekommen hatte, hatten mir meine Großeltern schon erzählt, Klaus
hatte den Kontakt zu ihnen gehalten. Und meine Großmutter erzählte mir von
meiner Mutter, daß diese die letzten Wochen und Monate oft im Bett liegen mußte
und jetzt der kleine Tobias viel zu früh auf die Welt gekommen war. Und so kam
es, daß Tobias an dem Tag, als er eigentlich zur Welt kommen sollte, schon fast
drei Monate alt war und ich endlich zu meiner Mutter, Klaus und dem
kleinen Tobias ziehen durfte.
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